10. Etappe Vizzavona - Refuge di Cappanelle

Zweiter Teil!
GR20 Süd
6:06 Uhr
Ich muss mich umstellen. Ich konnte bisher mein Tempo laufen und variieren wie ich wollte, jetzt sind wir zu zweit und zum Einen hatten wir schon immer ein unterschiedliches Tempo und zum Anderen bin ich ja schon den ganzen Nordteil gelaufen, also im Training und hatte gestern "Urlaub". Also muss ich mich jetzt bremsen und ein bisschen Rücksicht auf Thomi nehmen. Wir sind das ja gewöhnt, von unseren sonstigen Touren, dass ich halt ein Stück voraus gehe und ab und zu warte. Jeder hat eben seine Geschwindigkeit. Vor drei Tage traf ich oben bei der Breche de Capitellu Philip Jenkins eine Engländer Anfang 70. Er stieg so langsam den Berg hinauf, dass ich dachte ich schaue Zeitlupe. Aber das spielte für ihn keine Rolle, er hatte alle Zeit der Welt. Er erzählte mir, dass er seit 48 Jahren Bergsteigen würde und jetzt geht es halt nimmer so schnell. Bei ihnen gibt es einen Spruch: "Es gibt Esel und Ziegen!" ich sei eindeutig eine Ziege und was er sei, könne ich mir denken. Er meinte er sucht seinen Freund und er denkt der wäre oben auf dem Gipfel. Der Freund sehe genau so aus wie er, nur sei er oben. Da ich ja vermutlich in 5 min oben sei, soll ich doch seinem Freund sagen, er käme so bis in einer dreiviertel Stunde. Der Mann war echt rührend ich wollte ihn am liebsten den Berg hinauf tragen. Ich hab ihn dann leider nicht mehr gesehen.
Ich hoffe du bist gut angekommen Philip!
Gerade eben kam ein weiterer Neuseeländer vorbei, den ich gestern im Zug kennengelernt habe. Witziges Kerlchen, der mal so durchs Leben schwappt, er macht zumindest den Eindruck. Er hat eigentlich keine Zeit für den GR 20, deshalb versucht er zu "doublen", wie es gerade kommt macht er halt mal 2 Etappen. Zum Glück hab ich Zeit! So, jetzt gehe ich mal Thomi's Vorsprung verkürzen.
11:56 Uhr
Das war ja mal ein schöner Einstieg in den Südteil. 4 Stunden gemütlich auf bequemen Weg, leicht ansteigend durch den schattigen Wald. Alles easy! denkst du, und dann? Der GR 20 wär ja nicht der härteste Fernwanderweg Europas wenn er nicht noch eine Überraschung parat hätte. Wir dachten also, ok noch ein knapper Kilometer, kein Problem! Da kommt auf einmal ein Schild "Refuge di Prati" und zeigt steil den Berg hinauf. Hah! War ja klar, dass da noch was kommt. Es ging so eine gute Dreiviertelstunde steil bergauf, nichts schwieriges, aber damit hatten wir eben nicht mehr gerechnet, wir haben uns schon auf der Terrasse des Refuges mit einem Kaltgetränk gewähnt. Und genau solche Momente habe ich schon viele auf dem GR 20 erlebt.
Immer dann wenn du denkst, heute gehts gut, ich hab's bald geschafft, kommt ein Hammer und sagt dir ganz genau wo du bist. Der Anstieg hat dafür gesorgt, dass in unserem Körper genau die zusätzliche Menge Platz ist, die ein Kaltgetränk für gewöhnlich in so einem Körper einnimmt. Ein eiskalter Bach mit genau der richtigen Tiefe, sozusagen Kneipptiefe hat uns dann für unsere Mühen entlohnt und unsere überhitzten Körper ganz schnell wieder auf normale Temperatur gebracht. Alles in allem dann eben doch ein Start in die zweite Hälfte mit GR 20 Niveau.
Kommentar schreiben