9. Etappe GR 20, Corse, France

9. Etappe Refuge de l'Onda - Vizzavona

 

 

 bergwanderung

15.06.2012
13,7 km
5:08 h
1.199 m up / 1.589 m down


4:50 Uhr

Ich schaue raus dem Zelt, die Sonne ist noch nicht aufgegangen, schickt aber schon das erste Leuchten über den Kamm vor mir. Rechts ist noch der sichelförmige Mond zu sehen. Ich bin der Erste und das soll auch so bleiben. Es ist noch frisch, aber kein Vergleich zu den letzten Tagen. Heute will ich wieder eine Variante gehen, der Monte d'Oro zählt mit seinen 2.389m zu den höheren Bergen Korsikas ich weiß gerade nicht der wievielte, aber das spielt auch keine Rolle. Rasch frühstücke ich, packe mein Zeug zusammen und schon eine Stunde später marschiere ich los. Ich bin schon auf 1.900m aufgestiegen da erhasche ich noch einmal einen Blick auf das Refuge, das gerade erst erwacht. Die Sonne hat es geschafft und fängt gleich ordentlich mit ihrer Arbeit an. Ich habe mittlerweile den Muratellu (2.020m) überschritten. Ich bin an der Gabelung wo sich der GR20 in Richtung Tal verabschiedet und die Variante gen Monte d'Oru ansteigt. Es ist gerade mal 8:00Uhr wir haben strahlend blauen Himmel und bereits 22°C.


Das ist doch verrückt. Hoffentlich gibt das kein Gewitter, also schnell durch damit mir das Wetter kein Schnippchen schlagen kann. Gerade kommen die Dänen an der Gabelung an, ich will sie überreden mitzukommen, doch sie steigen lieber ab.



10:41 Uhr

Grenzerfahrung!

Es ist interessant, wie schnell man an seine Grenze kommen kann. Ich bin auf dem Gipfel des Monte d'Oro, allerdings war es ein harter Kampf. Beim Aufstieg war ich noch guter Dinge ging er doch so zügig und leichtfüßig voran. Die erste Wand konnte ich noch locker im Schatten durchschreiten, weiter ging es langsam immer steiler und schroffer voran. Gut gelaunt erweitere ich noch ein paar Steinmännchen, da diese Variante nur sehr schlecht markiert ist. Sozial wie ich bin, denke ich an die anderen Wanderer. Apropos, hier sind gar keine anderen Wanderer, hier sind nur wir zwei, der Monte d'Oro und ich. Einen Grat überschreitend, mich auf dem Gipfel glaubend, türmt sich vor mir die nächste Wand auf. So langsam wird mir mulmig hier oben, ständig verlaufe ich mich und das im schwierigsten Gelände. Es wird immer schroffer und ich sehe tausend Steinmännchen aber keine gelben Punkte. Ganz, ganz langsam und jeden Tritt dreimal kontrollierend, kämpfe ich mich vorwärts. Ich habe gewusst, dass dieser Moment irgendwann kommt, aber er kommt eben nie wenn man damit rechnet. Ich finde diesen sch**** Weg nicht, die Sonne brennt und es steht mir noch ein langer Abstieg bevor. Der Witz ist, an einem anderen Tag, mag es sein, dass ich hier durchlaufe und bei mir denke: "wo soll hier das Problem sein, ist doch Easy!" Nur eben heute nicht! Ich und der Berg, heute, hier, jetzt. Ich kann nichts dagegen tun, aber ich muss mit mir kämpfen, all meinen Mut zusammenfassen und weitergehen. Wieder ein paar Felsen überschritten, ich sehe wieder Ajaccio, die Landebahn, ich sehe Vizzavona, mein nächstes Ziel, dort will ich in ein paar Stunden sein.


Also, reiß di zsamm! Und weiter geht's!

 

11:11 Uhr

Ich habe eine Felsmuräne, die ca. 50m breit und 300m lang ist übersehen. Die Felsen habe die Grösse eines Fiat 500 bis zur Grösse einer Doppelgarage, keine Chance da drüber zu kommen, ich muss den ganzen Weg zurück und oben queren. Nachdem ich das Hindernis umgangen bin, sehe ich wieder einen Haufen gelber Punkte, der Weg wird einfacher und mein Mut kommt zurück! So, jetzt aber schnell runter.

Pah! Was für ein Tag, zu früh gefreut, nach ein paar hundert Metern fröhlichen Wanderwegs kommt eine 400m hohe Rinne die gefüllt mit Geröll und dicken großen Steinen ist, es geht steil bergab und kein Tritt fühlt sich sicher an. Ständig kullern unter meinen Füssen melonengrosse Steine, die ich als sicheren Tritt eingeschätzt habe, die Spalte hinunter. Ich muss höllisch aufpassen, dass ich nicht hinterher kullere.

Monte d'Oro, du schaffst mich heute.


Nach 4 Stunden quälendem Abstieg komme ich kurz vor 16 Uhr endlich in Vizzavona an. Das war die härtete Tour (zumindest gefühlt die härteste). Ich bin froh unten zu sein, baue mein Zelt auf und wackle mal rüber, es gibt 2 Kneipen und die stehen sich direkt gegen über.


21:10 Uhr

Puh! Jetzt hab ich fast einen im Tee. Ich dachte die sind schon alle weg, aber erst mal sass das Stuttgarter Pärchen, Alex und Petra im Restaurant, mit denen hab ich noch schnell ein Abschiedsbierchen getrunken, dann tauchten Nick und Maddie plötzlich auf dem Campingplatz auf, noch'n Bierchen. Pierrick und Charlene zwei Statik-Studenten, das junge französische Pärchen, hat mich zum Fussball-Bier eingeladen (Frankreich-Ukraine sogar in HD, Sat-sei-dank) und als ich zu meinem Zelt wackele hocken da die Quechuas direkt vor meinem Zelt und bieten mir noch ne Dose Pietra (korsisches Kastanienbier) an. Jetzt hab ich die ganze Zeit kein einziges Bier getrunken, weil mir einfach nicht danach war, aber heute gleichen wir es wieder aus.

Macht ja nix, morgen ist ja frei...

Da fällt mir ein:

Halbzeit! Der schwierige Nordteil ist geschafft!

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