8. Etappe Refuge de Petra Piana - Refuge de l'Onda
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7:27 Uhr Freudentanz!!!!!!
Hah! Nachdem es wieder die ganze Nacht gewindet hat hat sich der Wind ab der 2.Hälfte deutlich gelegt. Als ich heute morgen aus dem Zelt schaue werde ich erst mal geblendet: Sonne.
S O N N E !
Der Wind ist weg, und das Beste am Wetter ist, dass die Wolken da sind wo die ganze Zeit keine waren. Es tut mir Leid ihr Strandtouristen, aber heute wird getauscht. Ihr kriegt die Wolken, wir die Sonne. Den Wind könnt ihr eh haben vielleicht baut Qechua ja auch Surfbretter.
Ich hoffe man kann es auf dem Bild erkennen, da wo die Wolken sind konnte man gestern Abend noch das Meer sehen. Vielleicht hat es sich doch gelohnt, dass ich gestern Abend noch rüber bin und mit Nick und Maddie, den beiden Engländern, zusammen mit einem "Château de Carton Blanc" auf ein schöneres Wetter angestossen hab. Leider hat sich der Abend auf zwei Plastikbecher beschränkt, da der Wind und die Kälte was dagegen hatten. Macht aber nix, so sind wir heute fit. Das schöne an der Wendung ist, dass ich jetzt doch die Höhenvariante machen kann und nicht durch den Wald schreiten und für Ferko Erde sammeln muss.
Moment, ich muss da mal schauen was da los ist, es ist so still ums Zelt, so windstill. Haha!
Bis später!
9:24 Uhr
Die Entscheidung war goldrichtig. Ich glaube Rosamunde Pilcher hat sowohl Petrus und Steven nach Hause geschickt und übernommen. So sanft weht das Lüftchen heute in der strahlenden Sonne, die Vögel zwitschern. Gut das haben sie immer getan, aber vor lauter Windgeräusche hat man sie nicht gehört. Wenn jetzt noch gleich ein sonnengebräunter, soulglow-gegelter, safarihemdbekleideter, mit hübsch schleifchengebundenem Halstuch geschmückter stinkreicher Earl Enggmbhborough oder Earl Anghnmbury in seinem Jeep, Christiane Neubauers Schmachtblick entgegenfährt, dann weiß ich endgültig, dass ich Träume.
Ein sehr deutsch aussehendes Pärchen steht ratlos am Weg, sie stammelt irgendwas auf Französisch, er guckt nur verwirrt in die Luft. "englisch, oder auch deutsch?", erlöse ich sie und sage "ihr sucht den Höhenweg? Ja das ist der doppelt gelb markierte hier, der ist schöner, den geh ich auch." die werde ich heute wohl noch öfter treffen.
10:48 Uhr
Hoch oben auf dem Pointe Murace (1.972m) angekommen kann ich die halbe Insel überblicken. Halb rechts vor mir sehr ich die Stadt Ajaccio an der Westküste und zu meiner linken kann ich Ghisonaccia an der Ostküste sehen. Die beiden Städte sind Luftlinie etwa 35-40 km von mir entfernt. Im Moment bin ich völlig allein hier oben und die leichte Brise von heute morgen bring immer noch eine kleine Erfrischung, da die Sonne um diese Zeit schon sehr kräftig brennt. So hab ich mir das vorgestellt, so macht die Geschichte richtig Spass. Ich denke, diesen Moment habe ich mir verdient. Wow, ich kann sogar die Landebahn des Flughafens von Ajaccio erkennen, eine Woche ist rum, in genau 10 Tagen werde ich von dort den Heimweg antreten, da darf ich jetzt gar nicht dran denken. Gleich kommt das Stuttgarter Pärchen aufgestiegen, ich habe vorhin ein wenig mit ihnen geplauscht, sie wollen meinem Blog lesen, ich habe gesagt, dass sie auch schon drin vorkommen.
12:58 Uhr
Die Stuttgarter machen ebenfalls auf diesem Gipfel Pause, allerdings kommt Nick, der Engländer, auch gerade oben an. Nick erzählt mir, dass er jetzt ein Haus in Neuseeland hat und "meistens" dort lebt. Er ist schon überall gewesen, war als Guide unterwegs und selbst viel beim Bergsteigen, Klettern, Kanufahren usw. Himalaya, Anapurna-Runde, Afghanistan, Neuseeland, Russland, der war einfach überall. Wir machen zusammen Pause und gehen die nächsten zwei Stunden gemeinsam, er hat ein gutes Tempo drauf und so passen wir perfekt zusammen und kommen gut voran. Wir nutzen die Zeit um uns auszutauschen, und meinem Englisch schadet das auch nicht. Maddie hatte wohl keine Lust mehr auf Felsen, und so ist sie den niedrigen Weg durch den Wald gegangen. Heute geht es wie von selbst, ob das wohl am Wetterumschwung liegt. Jedenfalls ist die Höhenvariante des GR20 beim richtigen Wetter sehr zu empfehlen. Perfekte Weitsichten mit teilweise 360Grad Umsicht laden zu häufigen Pausen ein. Der Weg ist nicht schwer und so kann man sich auf die Aussichten konzentrieren. Das Schönste aber an diesem Weg ist, dass uns kaum jemand begegnet. Entweder sind wir tatsächlich so spät los oder die Qechuas haben alle den anderen Weg gewählt.
So langsam kommt wieder ein leichter Wind auf, aber ich glaube das ist völlig normal hier.
Ich steige mal lieber zum Refuge ab, sonst stehen da zu viele Qechua-Zelte wenn ich ankomme.
Irgendwie werden es immer weniger Zelte, das wundert mich, allerdings haben auch schon einige erzählt, dass sie nur die ersten Etappen machen, vielleicht liegt es auch daran. Der Gardien in der Bergerie de l'Onda hat sogar eine "Douche chaude"! Er hat in einen kleinen Holzverschlag ein richtiges, deutsches Sitz-WC, ein kleines Waschbecken, eine Dusche mit Handbrause und Thermostat, befeuert durch einen Gasdurchlauferhitzer eingebaut. Der DVGW (Deutscher Verband des Gas und Wasserfaches) würde die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, würde er die Installationen abnehmen müssen. Da ich aber mit dieser Branche zumindest auf diesem Trip überhaupt nichts am Hut habe, freue ich mich und geh mal ausgiebig Duschen. Die 2 EUR die der Gardien dafür haben will, bezahle ich ihm gerne, geniesse die Installationen und sage auch dem KVGW, sollte es sowas geben nix davon. Die Bergerie de l'Onda ist mal wieder ein bisschen anders, korsisch eben. Die Zelte finden auf der Pferdekoppel Platz. Was natürlich nicht heißt, dass die Pferde deswegen die Koppel verlassen müssen. Das Schönste daran ist, dass dies kaum jemanden stört, ja es scheint überhaupt niemand zu bemerken. Die Pferde und die GR20-Wanderer teilen sich friedlich den Platz, das Gras und den Brunnen. Ich will gar nicht wissen, was das für ein Aufstand wäre, wenn hier ein paar Heizdecken-All-Inklusive-Pauschaltouristen auftauchen würden. Es würde wahrscheinlich Beschwerden beim Reiseveranstalter hageln. Aber ich glaube auch nicht, dass die Bergerie bei Trip-Advisor gelistet ist. Es ist mittlerweile 16:00 Uhr und auch die beiden Stuttgarter sind mittlerweile eingetroffen, sie haben wohl ihr eigenes Tempo, recht so! Hier gilt: Jeder wie er mag!
Auf dieser Koppel scheinen sich alle wieder zu treffen: Die Dänen liegen direkt rechts neben mir, die Engländer links hinter mir, die Stuttgarter richten sich rechts hinter mir ein, und das junge französische Pärchen, welches ich schon im Zug gesehen habe, vor den Dänen. Alle auf vielleicht 400 qm zusammengepfercht. Sonst sind die kleinen Zeltplätzchen so weit verstreut, heute nicht, man könnte direkt ein Hoffest starten.
Übermorgen wird es dann wohl einen kompletten Wechsel geben, zum Einen, da viele nur bis Vizzavona laufen, zum Anderen da ich einen Tag Pause habe, da ich ja so brav gelaufen bin :-).
Ich habe einen Tag "off" eingeplant und den werde ich nutzen um von Vizzavona aus einen Ausflug nach Corte per Bahn zu machen. Corte ist die frühere Hauptstadt Korsikas und dürfte einiges zu bieten haben. Wenn ich zurück bin kann ich Thomi (mein Schwager, der ab Vizzavona mitläuft) vom Bahnhof abholen. Passt!
Einige laufen, wie er auch, erst ab Vizzavona los.
Schade, jetzt nach ein paar Tagen kommt man sich näher und geht schon wieder auseinander. Wir haben jede einzeln für sich, und doch gemeinsam ein kleines Abenteuer durchstanden, das wird morgen vorbei sein.
Ich bespreche noch mit Nick, und den Dänen, nach deren Namen ich immer noch nicht gefragt, habe die morgige Route. Ich will mal wieder abweichen und eine Höhenvariante einbauen, sie führt über den 2.389 m hohen Monte d'Oro und birgt wieder einige Kletterpartien. Nur für geübte steht im dänischen Wanderführer. Wir müssen alle lachen, wer hier angekommen ist gilt wohl als geübt, oder? Leider kennen sie,die Variante alle nicht, wir werden sehen!
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